Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Erfahrungsbericht - Ausbildungsgruppe 2015-2018

 

Samstag Morgen, der erste Tag eines Ausbildungswochenendes beginnt. Bei Losgehen kommen Vorfreude, aber auch Unsicherheit, ein bisschen Angst hoch. Was erwartet mich?

Erst einmal begegne ich Frauen und Männern, mit denen ich sehr viel teile, denn bei der Bearbeitung unserer Themen haben wir uns unserer Abgründe gezeigt. Das verbindet, das lässt die Begrüßung herzlich werden. Unsere Ausbildungsleiterein ist gewohnt einladend und heiter. Es wird ein bisschen gelacht, das entspannt.

Wir beginnen mit einer Aufwärmübung. Unsere Ausbildungsleiterin lässt uns wie üblich Raum für das, was bei uns gerade präsent ist, was der Körper gerade will oder braucht. Auch wenn der Körper beim Aufwärmen einfach nicht mitmachen will. Es machen wie üblich alle mit. Ich habe wie üblich erst einmal Schwierigkeiten herauszufinden, was denn bei mir präsent ist, was denn mein Körper will. Das sich Anpassen, das nach Außen Schauen sitzt tief bei mir. Im Laufe der Zeit schaffe auch ich, in mich hineinzufühlen. Es hilft mir, dass die Ausbildungsleiterin bei der Anleitung ein gutes Timing hat, uns Zeit lässt. Am Ende der Übung kommen wir alle an, wo wir sind, und nehmen alle Anwesenden bewusst wahr.

Gleich anschließend treffen wir uns im Kreis, sprechen von Herzen. Wie wir gerade da sind, was in uns präsent ist, wie die Aufwärmübung für uns war, ob wir ein Thema bearbeiten möchten oder einen Leitungswunsch haben. Inzwischen traue ich mir gelegentlich zu, zu leiten, auch deshalb, weil die Ausbildungsleiterin dazu authentisch einlädt und unauffällig unterstützend zur Seite steht.

In Bezug auf die Aufwärmübung ist für mich wieder überraschend, wie unterschiedlich unsere Wahrnehmung und unser damit zusammenhängendes Empfinden ist.

Bevor wir mit den Arbeiten anfangen, bringt uns unsere Ausbildungsleiterin zum Thema Psychodrama die Theorie nahe. Sie erzählt ein paar interessante Zusammenhänge aus Jacob Levy Morenos Leben, zum Beispiel von der Begegnung zwischen Fritz Perls und ihm, dann stellt sie Fachbegriffe aus dem Psychodrama mit Hilfe von uns als Statisten vor: Bühne, Protagonist, Antagonist, Eindoppeln, Doppeln, Spiegeln und einige mehr. Alles in spielerischer Form.

Dann beginnt die Bearbeitung von Themen. Eine Mitschülerin will ein Thema mit Hilfe des Psychodramas bearbeiten und möchte gerne von unserer Ausbildungsleiterin geleitet werden. Im Eingangsgespräch schlägt die dann vor, das Thema in einer speziellen Form des Psychodramas zu bearbeiten, in einer Dämonenarbeit. Ich bin schon gespannt, denn gleich ist eine nicht vertraute, neue Arbeitsweise zu sehen. Falls ich als Dämon ausgewählt worden wäre, auch zu erfahren. Die Technik ist schon vor Beginn unserer Zeitrechnung entwickelt worden, aus der Praxis der buddhistischen Lehre heraus. Ich möchte vor allem auf den Ablauf achten, um mehr Sicherheit zu gewinnen, falls ich mal eine solche Arbeit anleiten werde. Meine Mitschülerin steht vor ihrem auf sie groß und bedrohlich wirkenden Dämon, und fragt ihn was er von ihr will. Der Dämon sagt: "Ich will, dass Du mich achtest". Nach drei weiteren Schritten ist sie ganz berührt, der Dämon zeigt sich als liebenswerter Anteil von ihr, den sie annehmen kann, in die Arme nimmt, und damit heilen kann. Auch ich bin von dieser Wandlung berührt.

Nach dieser, wie nach jeder Arbeit folgt eine Nachbesprechung, in der Befindlichkeiten benannt und Fragen besprochen werden können.

Dann Pause, Essen, frische Luft.

Zum Einstimmen auf die Arbeit machen wir eine kleine Übung: Es liegt ein Seil quer im Raum. Links vom Seil ist nun Ja, rechts davon Nein. Wir probieren verschiedene Standorte aus, am Ende entscheiden wir uns alle für einen. Ich bleibe auf Ja stehen. Es fühlt sich leicht, stimmig, gut an. Wenige bleiben auf Nein stehen, einer hat einen Fuß im Nein, einem im Ja.

Jedes Wochenende hat zwar einen Methodenschwerpunkt, falls allerdings jemand ein Thema bearbeiten möchte, was mit einer anderen Methode besser geht, kommt die zur Anwendung.

Der nächste hat ein Thema, was sich gut mit Psychodrama bearbeiten lässt. Es ist, wie sich im Verlauf der Arbeit herausstellt, auch mein Thema. Irgendwann geht es um Gedankenschleifen, um unterdrücke Wut. Als er seine Wut ausagiert, fühle ich eine große Energie und Spannung in meinem Körper und gehe innerlich mit. Auch bei mir heilt mit dieser Arbeit etwas. Wie immer ist unsere Ausbildungsleiterin beim Leiten entspannt und präsent. Auch ihr Humor trägt zu einer guten Arbeitsatmosphäre bei.

Dann setzt sich eine Mitschülerin auf den Stuhl, auf dem die Klientin oder der Klient im Eingangsgespräch sitzt. Sie möchte wissen, wie sie mit guter, sinnvoller Arbeit zu Geld kommt. Es wird eine Gestaltarbeit, die mit fünf Kissen für folgende Positionen beginnt: Gesamtperson und Ressource liegen auf der einen Seite, Nichtwissen / Nebel, Angst es nicht zu schaffen und Geld liegen gegenüber. Es werden im Laufe der Arbeit weitere Kissen dazukommen. Ich bin beeindruckt, dass die Ausbildungsleiterin immer den Überblick behält. Meine Mitschülerin wird, indem sie auf alle diese Positionen geht, an ihre große Sehnsucht nach Kontakt zu ihren Eltern kommen, den sie nie hatte, an die Einsamkeit, die sie immer wieder fühlt, an die Mauer, die sie von ihrer Lebendigkeit trennt. Ich lerne von der Vorstellung loszulassen, dass es am Ende einer Arbeit immer zu einem guten Ende kommen muss. Manchmal werden auch 'nur' Prozesse angestoßen. Nach der Arbeit teile ich im Sharing, dass ich Resonanz auf die Grenze hatte, auf nicht dahin kommen, wo die Lebendigkeit hin will.

Schließlich wage auch ich mich an die Bearbeitung eines Themas. Es soll eigentlich nur eine kurze systemische Aufstellung werden, eine, bei der ich mir die Bewegungen anschauen kann, die geschehen, wenn jeweils eine Stellvertreterin für meinen inneren Wesenskern / meine Seele, mein Urtrauma und meinen Hauptabwehrmechanismus im Feld stehen. Doch sie entwickelt sich zu einer großen Arbeit, die in die Nachkriegszeit führt. Irgendwann finde ich mich selbst als Stellvertreter für etwas wieder, was sich als ein Russe zeigt. Der fühlt eine große Verletzung, Hass und einen Vergeltungswunsch meiner Großmutter und meiner Mutter gegenüber. Irgendwann hat meine Großmutter den Impuls einen Schritt auf ihn zuzugehen und zu sagen, dass sie sein Leid, sein Schicksal sehen kann. Der Russe ist berührt, wird weicher, es fließen Tränen. Als meine Großmutter sagt, dass sie jetzt keine Angst mehr vor ihm hat, kann meine Mutter ruhig werden, der es vorher schlecht ging, die sich überfordert und etwas wirr gefühlt hat.

Für mich geht wieder ein voller, bewegender Tag zu Ende. Ich habe mehr Erfahrung mit der Anwendung von Methoden sammeln können, mehrere Themen, die ich auch von mir kenne, die auch meine sind, wurden bearbeitet, haben auch bei mir Prozesse in Gang gebracht. Eins davon hat mich besonders berührt. Ich kann nun meine Mutter und meine Großmutter besser sehen, mein Blick auf beide, die nicht mehr leben, ist verständnisvoller, liebevoller geworden.

Wieder ein Ausbildungstag, an dem ich nichts Besseres hätte tun können.

Uwe Pieper,  Januar 2017